Der Produktionsablauf eines Textilen Produktes ist in unserer globalisierten Welt komplex und extrem vielschichtig. Es ist uns ein Anliegen nachhaltig zu produzieren. Aber es braucht eine grosse Portion Ausdauer, die Rohstoffe nachzuverfolgen und bei den Firmenbesuchen die Arbeitsbedingungen zu durchschauen. Oft warten wir ewig auf Antworten, landen in Sackgassen, müssen Kompromisse eingehen und am Ende darauf vertrauen, dass die Informationen die wir bekommen der Wahrheit entsprechen.
Wenn du einen Kreislauf schaffen willst, den du vollends selber kontrollieren kannst, so musst du bei der Faser beginnen. Dieser Gedanke begleitet mich seit langem. Als meine Mitbewohnerin eines Abends nach Hause kam und mir erzählte, sie habe heute gerade ihre Schafe scheren lassen, entstand zwischen uns die Idee einer Zusammenarbeit. Wäre es nicht wunderbar ich würde euch die Geschichte vom Schaf erzählen können, aus dessen Wolle ich ein Produkt herstelle?
Seit jenem Abend ist bereits ein halbes Jahr vergangen. Rahel brachte mir die Wolle nach Hause. Der Anblick der schmutzigen, nach Tier riechenden Wolle löste in mir freudigen Tatendrang aus. Ich konnte es nicht erwarten mein "eigenes" Garn in den Händen zu halten. Natürlich machte ich mich zuerst schlau auf diversen Blogs und lernte wie die Wolle gewaschen werden muss, dass sie nicht filzt und trotzdem möglichst sauber wird.
Nach dem die Wolle getrocknet war musste sie „gezüpfelt“ werden. Dies um weitere Gräser oder Ästchen zu entfernen, die Fasern ein erstes Mal zu lockern und für das Kardieren vorzubereiten. Während ich also auf meine Handkarde wartete, züpfelte ich stundenlang die Wolle auseinander, die dabei Unmengen an „Heu“ verlor.
Mit Freuden nahm ich den Kardierkamm aus dem Briefkasten und begann mit dem nächsten Arbeitsschritt. Um die Wollfasern auszurichten und für das Spinnen vorzubereiten brauchte ich meine gesamte Arm- und Rückenmuskulatur, die ich noch am nächsten und übernächsten Tag spürte... Immer noch gefiel mir die manuelle Arbeit. Ich wurde aber langsam ungeduldig und konnte es kaum erwarten das erste Garn zu verstricken.
Als mir meine Mutter, die ersten Schritte am Spinnrad zeigte wurde ich ganz nervös. Es schien ja ein einfacher Prozess zu sein aus diesem Busch an Wolle einen Faden zu spinnen. Weit gefehlt! Bis ich es schaffte einen einigermassen regelmässiges Garn, das nicht zu sehr und nicht zu wenig gedreht ist zu spinnen, musste ich noch einige Nachmittage am Spinnrad üben.
Als ich die ersten Spulen fertig gesponnen hatte, wurde ich stetig gespannter. Ich entschied mich die Wolle zu verzwirnen. Dies aus zwei Gründen: Erstens, hatte ich das Gefühl mein Garn sei immer noch etwas überdreht und ich wollte mit dem Zwirnen dem Drall wieder entgegen wirken. Andererseits war es eine gestalterische Entscheidung ein Mouliné Garn herzustellen. Um ein Mouliné Garn zu erhalten, zwirnte ich zwei verschieden farbige Garne zusammen. Ich spulte sie auf meine schöne antike Haspel und lies sie 24 Stunden aufgespannt, damit sich die Fasern an ihre definitive Richtung gewöhnen konnten. Danach gönnte ich dem Garn noch ein Entspannungsbad, liess es trocknen und wickelte es endlich in die fertigen Knäuel.
Mein erster Knäuel überlebte nicht lange. So ungeduldig war ich die eigens hergestellte Wolle endlich zu verstricken und ein Strinbandmodell auszuarbeiten.
Nun habt ihr den Prozess von der gescherten Wolle bis hin zum Knäuel erfahren. Aber was hatte denn die Wolle auf dem Rücken des Schafes schon alles erlebt? Damit sie gedeihen konnte und euch nun vielleicht bald die Ohren wärmt? Um euch diesbezüglich einen Einblick zu gewähren, habe ich ein Interview mit der Bäuerin der Schafe, Rahel, meiner Mitbewohnerin geführt. Sie arbeitet auf einem Hof in Heiden im Appenzellerland. Mit wunderbaren Blick über den Bodensee.
Wie heissen deine Schafe?
"Zum Beispiel Soeur, Mila, Lulu, Flecki, Mösli, Roja, Ulme, Pomo, Dora, Bruna, Prima, Nura, Rik, Rikuna... "
Was machen sie so den lieben langen Tag?
"Ihr Tag füllt sich eigentlich alternierend mit Fressen und Ruhen. Unsere Schafe fressen nur Gras und Kräuter. Im Sommer auf der Weide und im Winter das Heu. Sie erhalten kein zusätzliches Kraftfutter. Sie liegen oft in ihren Familien beieinander. Meistens bewegt sich die ganze Herde wie eine Traube über das Land. Ich habe manchmal das Gefühl die Schafe sind immer auch "das Schaf" so ähnlich wie bei den Bienen."
Warum habt ihr Schafe auf euerm Hof?
"Der Betrieb ist sehr klein (nur 4.5 ha - der Durchschnittliche Betrieb in der Schweiz ist etwa 17-20 ha). Auf der einzigen ebenen Fläche pflanzen wir Gemüse für Rund 60-70 Gemüseabos an, das ist unser Haupteinkommen. Die restliche Fläche sind steile Wiesen - wir sind im hügeligen Appenzeller-Vorderland zu Hause - die aufwendig zu bewirtschaften sind. Die Schafe finden sich dort wunderbar zurecht. Im Gegensatz zu Ziegen sind Schafe unkomplizierter und anspruchsloser in der Haltung. Schafe fressen am Boden, Ziegen lieber oben: Sträucher, Beeren, Gestrüpp."
Wie oft werden die Schafe geschert?
"Wir scheren im Frühling. Einige Bauern scheren auch zweimal, im Herbst und im Frühling."
Was passiert normalerweise mit der Schafwolle?
"Wolle ist leider zu einem sehr unrentablen Produkt verkommen. Es gibt einige Firmen, die sie einem abnehmen - zum Stopfen oder Dämmen - man erhält allerdings kaum mehr was dafür. Waschen und Karden ist teuer und wird oft im Ausland und mit ausländischer Wolle viel billiger gemacht. Manchmal melden sich Private und holen etwas Schurwolle, der Rest wird entsorgt."
Und nun zu der Frage mit dem Preis. Der Preis, welchen wir bei kollektiv vier für das Stirnband festgelegt hatten, sorgte bei all meinen Freunden für Sprachlosigkeit - die 149 CHF waren weit über dem was sie erwartet hatten. Ein inneres Dilemma machte sich in mir breit. Warum sind sich die Menschen, mich mit eingeschlossen, an einen Preis gewohnt, der niemals dem Produktwert entspricht? Wenn du dich aus dem Bauch heraus fragst, was ein handgestricktes Stirnband aus Schweizer Schafwolle kosten könnte, was ist deine ehrliche Antwort? Und warst du überrascht als du eben den Preis gesehen hast? Denn sogar aus den 149 CHF für ein Stirnband ergibt sich kein rentabler Stundenlohn, dafür ein spannendes Projekt, neue Erfahrungen und viel Freude. Ich hoffe mit unserer Preisstrategie einen Mittelweg zu wählen, welche die Leute zum Nachdenken bringt und im Idealfall unsere von Billigkleidern verfälschten Preisvorstellungen revidiert.
Möchtest du dir gerne mit der Wolle von Mila, Lulu oder Nura deine Ohren zu wärmen lassen?
Der Beitrag wollig warm - ein Stirnband aus Schweizer Wolle schrieb Eva für kollektiv vier.
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